Wann sind Klauseln zur Änderung des Gaspreises in Sonderkundenverträgen unwirksam? BGH vom 31.07.2013 Az VIII ZR 162/09
BGH zur Unwirksamkeit von Klauseln zur Änderung des Gaspreises in Sonderkundenverträgen
Gaspreisänderungsklauselen müssen Anforderungen der EU-Richtlinien an Treu und Glauben, Ausgewogenheit und Transparenz genügen
Der Bundesgerichtshof hatte sich unter anderem mit der Frage zu befassen, ob eine in Sonderkundenverträgen eines Gasversorgungsunternehmens enthaltene Preisänderungsklausel, die sich auf eine Inbezugnahme von § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV* beschränkt, wirksam ist. Dabei hat der Bundesgerichtshof ein auf Vorlage ergangenes Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union umgesetzt.
Dem Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger, die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V., verlangt von der Beklagten, einem Gasversorgungsunternehmen, die Rückzahlung von Gaspreisentgelten, die in der Zeit vom Januar 2003 bis Oktober 2005 auf Gaspreiserhöhungen gezahlt worden sind. Dazu sind ihm die Rechte von 25 Kunden in den Gasvertriebsregionen „Ost-Südwestfalen“ und „Ruhr-Lippe“ abgetreten worden. Im betreffenden Zeitraum erhöhte die Beklagte die Gaspreise insgesamt vier Mal. Die 25 Kunden bezahlten – zum Teil unter dem Vorbehalt der Rückforderung – die ihnen für das gelieferte Gas in Rechnung gestellten Entgelte einschließlich der Erhöhungsbeträge. Der Kläger hält die Gaspreiserhöhungen für unwirksam und fordert die Beträge, die über den Ende 2002 von der Beklagten verlangten Preis hinausgehen, von der Beklagten zurück. Das Landgericht hat der auf Zahlung von insgesamt 16.128,63 Euro gerichteten Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
BGH legt EuGH Fragen zur Auslegung bestimmter Vorschriften der Klausel- und der Gasrichtlinie vor
Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Der Bundesgerichtshof hatte zunächst mit Beschluss vom 9. Februar 2011 das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union zwei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Hierbei ging es um die Auslegung bestimmter Vorschriften der Klausel- und der Gasrichtlinie. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat durch Urteil vom 21. März 2013 entschieden, dass es für die Frage, ob eine Gaspreisänderungsklausel den Anforderungen der genannten Richtlinien an Treu und Glauben, Ausgewogenheit und Transparenz genügt, insbesondere darauf ankommt,
– ob der Anlass und der Modus der Änderung dieser Entgelte in dem Vertrag so transparent dargestellt werden, dass der Verbraucher die etwaigen Änderungen der Entgelte anhand klarer und verständlicher Kriterien absehen kann, und dass das Fehlen der betreffenden Information vor Vertragsabschluss grundsätzlich nicht allein dadurch ausgeglichen werden kann, dass der Verbraucher während der Durchführung des Vertrags mit angemessener Frist im Voraus über die Änderung der Entgelte sowie über sein Recht unterrichtet wird, den Vertrag zu kündigen, wenn er diese Änderung nicht hinnehmen will, und
– ob von der dem Verbraucher eingeräumten Kündigungsmöglichkeit unter den gegebenen Bedingungen tatsächlich Gebrauch gemacht werden kann.
Preisanpassungsklauseln unwirksam
Der Bundesgerichtshof hat nunmehr unter Zugrundelegung dieser für die Gerichte der Mitgliedstaaten verbindlichen Auslegung entschieden, dass Preisänderungsklauseln in Sonderkundenverträgen, die sich darauf beschränken, das für Tarifkundenverhältnisse vorgesehene Änderungsrecht des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV* in Bezug zu nehmen, diesen Anforderungen nicht genügen und deshalb unwirksam sind. Die Revision der Beklagten war daher zurückzuweisen.
* § 4 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden (in der bis zum 7. November 2006 geltenden Fassung): Art der Versorgung
(1) Das Gasversorgungsunternehmen stellt zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen Gas zur Verfügung. […]
(2) Änderungen der allgemeinen Tarife und Bedingungen werden erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam.
[…]
- Eine weitere Entscheidung zu diesem Thema:
- BGH zu Preiserhöhungen in Erdgas-Sonderverträgen
( Bundesgerichtshof Urteil
[Aktenzeichen: VIII ZR 295/09] ) - OLG Oldenburg legt EuGH Frage zur Zulässigkeit von Preiserhöhungen in Erdgas-Sonderverträgen vor
( Oberlandesgericht Oldenburg Beschluss
[Aktenzeichen: VIII ZR 246/08] ) - Preisanpassungsklausel in Gaslieferungsverträgen unzulässig
( Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil
[Aktenzeichen: 11 U 67/07] )
- BGH zu Preiserhöhungen in Erdgas-Sonderverträgen
- Vorinstanz:
- Einseitige Preiserhöhung durch den Gasversorger ist unwirksam
( Landgericht Dortmund Urteil
[Aktenzeichen: 6 O 341/06] ) - Oberlandesgericht Hamm Urteil
[Aktenzeichen: 19 U 52/08] - BGH legt EuGH Fragen zur Auslegung von Klausel- und Gas-Richtlinien vor
( Bundesgerichtshof Beschluss
[Aktenzeichen: VIII ZR 162/09] ) - EuGH zur Preismissbrauchskontrolle von Standardklauseln in Erdgas-Sonderverträgen
( Gerichtshof der Europäischen Union Urteil
[Aktenzeichen: C-92/11] )
- Einseitige Preiserhöhung durch den Gasversorger ist unwirksam
Angaben zum Gericht:
- Gericht:Bundesgerichtshof
- Entscheidungsart:Urteil
- Datum:31.07.2013
- Aktenzeichen:VIII ZR 162/09
Quelle:Bundesgerichtshof/ra-online