Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) – § 84 SGB IX – Überwachungsrecht des Betriebsrates?
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Der Betriebsrat ist zur Überwachung des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) berechtigt, so das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 07.02.2012.
Namentlicher Benennung der Betroffenen im BEM stehen weder datenschutzrechtliche Gründe noch das Unionsrecht entgegen.
Der Arbeitgeber hat für Arbeitnehmer, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen arbeitsunfähig sind, die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements zu prüfen (§ 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX). In diesem Verfahren soll geklärt werden, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Ob der Arbeitgeber seiner Pflicht zur Einleitung des betrieblichen Eingliederungsmanagements nachkommt, hat der Betriebsrat zu überwachen (§ 84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX). Dies geht aus einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts hervor. Die Wahrnehmung dieser Aufgabe ist nicht von der Zustimmung der betroffenen Arbeitnehmer abhängig.
In dem zugrunde liegenden Fall bestand im Betrieb eines auf dem Gebiet der Luft- und Raumfahrttechnik tätigen Arbeitgebers eine Betriebsvereinbarung über die Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements. Nach dieser erhielt der Betriebsrat quartalsweise ein Verzeichnis der Mitarbeiter, die im Jahreszeitraum mehr als sechs Wochen arbeitsunfähig waren. Der Arbeitgeber wollte jedoch die Namen dieser Arbeitnehmer nur mit deren Einverständnis gegenüber dem Betriebsrat offen legen.
Das Bundesarbeitsgericht kommt zu dem ERgbnis, dass ein Arbeitgeber die namentliche Benennung nicht vom Einverständnis der Arbeitnehmer abhängig machen muss. Das Bundesarbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrats entsprochen, mit dem dieser die Angabe sämtlicher Arbeitnehmer verlangt hat, die für die Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) in Betracht kommen. Der Arbeitgeber durfte deren namentliche Benennung nicht vom Einverständnis der Arbeitnehmer abhängig machen. Er hat ein betriebliches Eingliederungsmanagement allen Beschäftigten anzubieten, die im Jahreszeitraum mehr als sechs Wochen arbeitsunfähig gewesen sind. Für die Ausübung seines gesetzlichen Überwachungsrechts muss der Betriebsrat diesen Personenkreis kennen; einer namentlichen Benennung stehen weder datenschutzrechtliche Gründe noch das Unionsrecht entgegen.
Als Fachanwalt für Arbeitsrecht kann ich zwar in Sachen BEM beraten, doch sollte ein Arbeitgeber sich um seine individuelle betriebsbezogene Systematik beim BEM rechtzeiig kümmern. Entweder bei seiner Betriebskrankenkasse oder aber bei einem erfahrenen Coach in Sachen beetriebliches „BEM-System“, wie zum Beispiel das Institut für Arbeitsfähigkeit in Mainz.
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Weitere Entscheidungen zu diesem Thema:
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BVerwG zum Informationsrecht des Personalrats beim betrieblichen Eingliederungsmanagement( Bundesverwaltungsgericht Beschluss Entscheidung, Aktenzeichen: BVerwG 6 P 8.09 )
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Bundesarbeitsgericht zum betrieblichen Eingliederungsmanagement vor krankheitsbedingter Kündigung( Bundesarbeitsgericht Urteil Entscheidung, [Aktenzeichen: 2 AZR 716/06] )
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BAG 13.5.2015 – 2 AZR 565/4
Führt der Arbeitgeber ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) nicht durch, obwohl die Voraussetzungen nach § 84 II SGB IX gegeben waren, ist die Folge eine erhöhte Darlegungslast im Hinblick auf alternative, leidensgerechte Beschäftigungsmöglichkeiten, die im Rahmen der Interessenabwägung zu prüfen sind. Ist denkbar, dass ein BEM ein positives Ergebnis erbracht hätte, muss sich der Arbeitgeber regelmäßig vorhalten lassen, er habe „vorschnell“ gekündigt mit der Folge, dass die Kündigung unwirksam ist. -
BAG 20.11.2014 – 2 AZR 755/13
Ein Arbeitgeber erfüllt die ihm obliegende Initiativpflicht zur Durchführung eines BEM nur, wenn er den Arbeitnehmer zuvor nach § 84 II SGB IX die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements sowie Art und Umfang der dabei erhobenen Daten hingewiesen hat. -
LAG Hamburg Urteil vom 08.06.2017 – 7 Sa 20/17
Der Hinweis auf eine Dienstvereinbarung zum BEM, die ihrerseits Regelungen zu den Zielen des betrieblichen Eingliederungsmanagements und dem Datenschutz enthält, ersetzt die konkrete Information des Arbeitnehmers im Sinne des § 84 II SGB IX nicht.