Bauunternehmer / Generalunternehmer – Wann können Sie kündigen?
Welche Folgen treffen den Bauunternehmer, wenn er seine Bauleistung unberechtigt endgültig einstellt?
Das Kammergericht Berlin hatte als Berufungsinstanz darüber zu entscheiden, welcher Anspruch gegen einen Bauunternehmer besteht, der seine Leistung unberechtigt endgültig eingestellt hatte. Der Auftraggeber (Bauherr) erhielt einen Schadensersatzanspruch
gem. § 281 Abs. 1 BGB zugesprochen.
„Da die Beklagte spätestens mit ihrer fristlosen Kündigung vom 20. März 2022 ernsthaft und endgültig weitere Leistungen verweigert hatte, musste die Klägerin der Beklagten keine weitere Frist zur Leistung bzw. zur Wiederaufnahme der Leistung setzen, § 281 Abs. 2 BGB (…). Die Klägerin kann mit ihrem Schadensersatzanspruch beanspruchen, so gestellt zu werden, wie sie stünde, wenn die Beklagte den Vertrag ordnungsgemäß erfüllt hätte (...).“ [KG, Beschluss vom 01.07.2022 – 21 U 13/22, LG Berlin, 03.11.2021 – 39 O 98/21]
Weiter trifft das Kammergericht folgende Aussage:
„§ 323 Abs. 4 BGB ist auf den Schadensersatzanspruch aus § 281 Abs. 1 BGB analog anwendbar. (…) Denn die Vertragsaufkündigung der Beklagten stellt analog § 323 Abs. 4 BGB bereits vor Fälligkeit eine Pflichtverletzung dar, die ihre Haftung gemäß § 281 BGB begründet. (…) § 323 Abs. 4 BGB ist auf den Schadensersatzanspruch aus § 281 BGB analog anwendbar. Das bedeutet, dass auch die Verletzung einer noch nicht fälligen im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Vertragspflicht durch den Schuldner seine Haftung aus § 281 BGB begründen kann, nämlich wenn bereits jetzt feststeht, dass er sie auch zum künftigen Fälligkeitszeitpunkt nicht erfüllt haben wird.“
Wann kann ein Auftragnehmer / Bauunternehmer / Generalunternehmer den Werkvertrag kündigen?
Anders als der Auftraggeber kann der Bauunternehmer/ Generalunternehmer einen Werkvertrag nicht einseitig ohne wichtigen Grund kündigen.
Ein Auftraggeber / Bauherr kann einen Werkvertrag nach § 648 BGB jederzeit kündigen – auch ohne Grund.
„§ 648 Kündigungsrecht des Bestellers
Der Besteller kann bis zur Vollendung des Werkes jederzeit den Vertrag kündigen. Kündigt der Besteller, so ist der Unternehmer berechtigt, die vereinbarte Vergütung zu verlangen; er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrags an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Es wird vermutet, dass danach dem Unternehmer 5 vom Hundert der auf den noch nicht erbrachten Teil der Werkleistung entfallenden vereinbarten Vergütung zustehen.“
!Achtung!: Bei Vereinbarung der VOB/B findet § 8 VOB/B auf die Kündigung des Auftraggebers Anwendung.
Ein Auftragnehmer / Bauunternehmer / Generalunternehmer kann einen Werkvertrag nur aus wichtigem Grund gem. § 648a BGB kündigen?
„§ 648a Kündigung aus wichtigem Grund
(1) Beide Vertragsparteien können den Vertrag aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur Fertigstellung des Werks nicht zugemutet werden kann.
(2) Eine Teilkündigung ist möglich; sie muss sich auf einen abgrenzbaren Teil des geschuldeten Werks beziehen.
(3) § 314 Absatz 2 und 3 gilt entsprechend.
(4) Nach der Kündigung kann jede Vertragspartei von der anderen verlangen, dass sie an einer gemeinsamen Feststellung des Leistungsstandes mitwirkt. Verweigert eine Vertragspartei die Mitwirkung oder bleibt sie einem vereinbarten oder einem von der anderen Vertragspartei innerhalb einer angemessenen Frist bestimmten Termin zur Leistungsstandfeststellung fern, trifft sie die Beweislast für den Leistungsstand zum Zeitpunkt der Kündigung. Dies gilt nicht, wenn die Vertragspartei infolge eines Umstands fernbleibt, den sie nicht zu vertreten hat und den sie der anderen Vertragspartei unverzüglich mitgeteilt hat.
(5) Kündigt eine Vertragspartei aus wichtigem Grund, ist der Unternehmer nur berechtigt, die Vergütung zu verlangen, die auf den bis zur Kündigung erbrachten Teil des Werks entfällt.
(6) Die Berechtigung, Schadensersatz zu verlangen, wird durch die Kündigung nicht ausgeschlossen.“
Was gilt, wenn die VOB/B zwischen den Parteien vereinbart wurde?
Beim VOB-Bauvertrag gilt § 9 VOB/B für die Kündigung durch den Auftragnehmer.
„§ 9 VOB/B Kündigung durch den Auftragnehmer
(1) Der Auftragnehmer kann den Vertrag kündigen:1. wenn der Auftraggeber eine ihm obliegende Handlung unterlässt und dadurch den Auftragnehmer außerstande setzt, die Leistung auszuführen (Annahmeverzug nach §§ 293 ff. BGB),
2. wenn der Auftraggeber eine fällige Zahlung nicht leistet oder sonst in Schuldnerverzug gerät.
(2) Die Kündigung ist schriftlich zu erklären. Sie ist erst zulässig, wenn der Auftragnehmer dem Auftraggeber ohne Erfolg eine angemessene Frist zur Vertragserfüllung gesetzt und erklärt hat, dass er nach fruchtlosem Ablauf der Frist den Vertrag kündigen werde.
(3) Die bisherigen Leistungen sind nach den Vertragspreisen abzurechnen. Außerdem hat der Auftragnehmer Anspruch auf angemessene Entschädigung nach § 642 BGB; etwaige weitergehende Ansprüche des Auftragnehmers bleiben unberührt.“
Kann ein VOB/B Bau-Werkvertrag auch außerordentlich fristlos vom Auftragnehmer gekündigt werden?
§ 9 VOB/B ist nicht abschließend. Es steht dem Bauunternehmer/ Generalunternehmer frei den Werkvertrag auch nach § 649a BGB aus wichtigem Grund zu kündigen.
Wie oben ausgeführt, ist dem Bauunternehmer/Generalunternehmen nicht angeraten durch spontane Aktionen, wie Baueinstellung, Abzug von der Baustelle oder einer spontanen Kündigung irreversible Fakten zu schaffen und sich dadurch Schadensersatzansprüchen auszusetzen.
Auch gilt es den Themen Abmahnung, Schriftform, Mitverschulden und Beweissicherung Beachtung zu schenken. In o.g. Fall hat das Kammergericht dem Auftraggeber einen Schadensersatzanspruch von mehr als 1,26 Mio. Euro zugesprochen!
Es ist dem Bauunternehmer / Generalunternehmer zu empfehlen vor einer voreiligen „Spontanhandlung“ einen Fachanwalt für Baurecht zu kontaktieren, um die Rechtslage prüfen zu lassen. Dies ergibt stets Sinn, z.B. bei Fragen zu den Themen:
- Schwarzarbeit,
- unberechtigten Teilkündigungen,
- Verletzung von Kooperationspflichten,
- Auftraggeber stellt Vergleichsantrag,
- endgültige Verweigerung einer berechtigten Abschlagsrechnung,
- unberechtigte Eingriffe in den Bauablauf,
- Bauherr besteht auf Bauleistungen, die entgegen der Regeln der Baukunst wären,
- Bauherr verhindert angebotene Mängelbeseitigung.
In meiner Praxis empfehle ich meinen Mandanten hier im außergerichtlichen Bereich die Vereinbarung eines anwaltlichenStundenhonorars, anstelle einer statischen Streitwertvereinbarung nach RVG.
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