Gewußt? Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) des § 84 SGB IX gilt für jeden Arbeitgeber!
Das BEM muss vom Arbeitgeber jedem Arbeitnehmer angeboten werden!
Das BEM (betriebliches Eingliederungsmangement) ist seit 2004 in § 84 Abs. 2 SGB IX gesetzlich geregelt. Die Vorschrift sieht vor, dass Beschäftigten, wenn sie innerhalb eines Zeitraums von 12 Monaten länger als sechs Wochen wiederholt oder im Zusammenahng arbeitsunfähig sind/waren das betriebliche Eingliederungsmangement des Arbeitgebers in Anspruch nehmen dürfen. Dies gilt unabhängig von der Anzahl der Beschäftigten eines Unternehmens.
Als Fachanwalt für Arbeitsrecht erlebe ich immer wieder, dass Arbeitgeber, insbesondere in Kleinbetrieben, betreffend der Anwendbarkeit des § 84 SGB IX sich im unklaren sind: „Wie – das gilt doch nicht für mich mit meinen 5 Mitarbeitern?„
Besondere arbeitsrechtliche Brisanz hat das BEM dann, wenn der Arbeitgeber aus personenbedingten Gründen (z.B. langandauernde Erkrankung) kündigen möchte, aber ein BEM nicht ordnungsgemäss durchgeführt hat. Das BAG (Bundesarbeitsgericht) hat hier strenge Grundsätze aufgestellt:
BAG 13.5.2015 – 2 AZR 565/4
Führt der Arbeitgeber ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) nicht durch, obwohl die Voraussetzungen nach § 84 II SGB IX gegeben waren, ist die Folge eine erhöhte Darlegungslast im Hinblick auf alternative, leidensgerechte Beschäftigungsmöglichkeiten, die im Rahmen der Interessenabwägung zu prüfen sind. Ist denkbar, dass ein BEM ein positives Ergebnis erbracht hätte, muss sich der Arbeitgeber regelmäßig vorhalten lassen, er habe „vorschnell“ gekündigt mit der Folge, dass die Kündigung unwirksam ist.
BAG 20.11.2014 – 2 AZR 755/13
Ein Arbeitgeber erfüllt die ihm obliegende Initiativpflicht zur Durchführung eines BEM nur, wenn er den Arbeitnehmer zuvor nach § 84 II SGB IX die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements sowie Art und Umfang der dabei erhobenen Daten hingewiesen hat.
In diesem Sinne auch: LAG Hamburg Urteil vom 08.06.2017 – 7 Sa 20/17
Der Hinweis auf eine Dienstvereinbarung zum BEM, die ihrerseits Regelungen zu den Zielen des betrieblichen Eingliederungsmanagements und dem Datenschutz enthält, ersetzt die konkrete Information des Arbeitnehmers im Sinne des § 84 II SGB IX nicht.
Als Fachanwalt für Arbeitsrecht kann ich zwar in Sachen BEM beraten, doch sollte ein Arbeitgebr sich um seine individuelle betriebsbezogene Systematik beim BEM rechtzeiig kümmern. Entweder bei seiner Betriebskrankenkasse oder aber bei einem erfahrenen Coach in Sachen beetriebliches „BEM-System“, wie zum Beispiel das Institut für Arbeitsfähigkeit in Mainz.
Gesetzliche Normen zum betrieblichen Gesundheitsmanagement:
5 ArbSchG: Beurteilung der Arbeitsbedingungen
(1) Der Arbeitgeber hat durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind.
(2) Der Arbeitgeber hat die Beurteilung je nach Art der Tätigkeiten vorzunehmen. Bei gleichartigen Arbeitsbedingungen ist die Beurteilung eines Arbeitsplatzes oder einer Tätigkeit ausreichend.
(3) Eine Gefährdung kann sich insbesondere ergeben durch
1. die Gestaltung und die Einrichtung der Arbeitsstätte und des Arbeitsplatzes,
2. physikalische, chemische und biologische Einwirkungen,
3. die Gestaltung, die Auswahl und den Einsatz von Arbeitsmitteln, insbesondere von Arbeitsstoffen, Maschinen, Geräten und Anlagen sowie den Umgang damit,
4. die Gestaltung von Arbeits- und Fertigungsverfahren, Arbeitsabläufen und Arbeitszeit und deren Zusammenwirken,
5. unzureichende Qualifikation und Unterweisung der Beschäftigten,
6.psychische Belastungen bei der Arbeit
§ 84 II SGB IX Prävention
(2) Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, klärt der Arbeitgeber mit der zuständigen Interessenvertretung im Sinne des § 93, bei schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann (betriebliches Eingliederungsmanagement). Soweit erforderlich wird der Werks- oder Betriebsarzt hinzugezogen. Die betroffene Person oder ihr gesetzlicher Vertreter ist zuvor auf die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen. Kommen Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben in Betracht, werden vom Arbeitgeber die örtlichen gemeinsamen Servicestellen oder bei schwerbehinderten Beschäftigten das Integrationsamt hinzugezogen. Diese wirken darauf hin, dass die erforderlichen Leistungen oder Hilfen unverzüglich beantragt und innerhalb der Frist des § 14 Abs. 2 Satz 2 erbracht werden. Die zuständige Interessenvertretung im Sinne des § 93, bei schwerbehinderten Menschen außerdem die Schwerbehindertenvertretung, können die Klärung verlangen. Sie wachen darüber, dass der Arbeitgeber die ihm nach dieser Vorschrift obliegenden Verpflichtungen erfüllt.