AGG und Stellenanzeige / Stellenannonce im Lichte BVerfG – 1 BvR 2019/16
Geschlechtliche Identität – BVerfG 08.11.2017 – AGG – Stellenanzeige weiblich / männlich /divers
Das Abfassen einer geschlechtsneutralen Stellenanzeige / Stellenannonce war bisher eigentlich klar für den Personalverantwortlichenzu fassen: Stellenausschreibungen werden geschlechtsneutral formuliert, wenn sie „sich in ihrer gesamten Ausdrucksweise sowohl an Frauen als auch an Männer“ richten (BT-Drs. 8/4259, 9).
Bisher galt eine Stellenausschreibung geschlechtsneutral, wenn die Berufsbezeichnung in weiblicher und männlicher Form verwendet wird („Kellner/in“) oder ein geschlechtsunabhängiger Oberbegriff verwendet wir („Controllingtätigkeit (m/w)“.
Noch am 8.11.2017 sind im Internet viele Stellenangebote zu finden, die obigen Grundsätzen entsprechen, aber ob dies noch am 09.11.2017 zulässig ist, ist aus arbeitsrechtlicher Sicht fraglich.
Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10.10.2017 – 1 BvR 2019/16 –, veröffentlicht am 08.11.2017 macht hier sicherlich ab sofort eine Neubewertung der rechtmäßigen geschlechtsneutralen Stellenanzeige / Stellenannonce erforderlich.
Die Leitsätze des Beschlusses lauten:
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Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) schützt die geschlechtliche Identität. Es schützt auch die geschlechtliche Identität derjenigen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen.
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Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG schützt auch Menschen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen, vor Diskriminierungen wegen ihres Geschlechts.
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Personen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen, werden in beiden Grundrechten verletzt, wenn das Personenstandsrecht dazu zwingt, das Geschlecht zu registrieren, aber keinen anderen positiven Geschlechtseintrag als weiblich oder männlich zulässt.
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Das BVerfG beruft sich auf Stellungnahmen der Bundesärztekammer (Rdnr. 9 f. mit Fundstellennachweis). Aus medizinischer Sicht werde an einer binären Geschlechtskonzeption nicht festgehalten. In den medizinischen und psycho-sozialen Wissenschaften bestehe zudem weitgehend Einigkeit darüber, dass sich das Geschlecht nicht allein nach genetisch-anatomisch-chromosomalen Merkmalen bestimmen oder gar herstellen lassen, sondern von sozialen und psychischen Faktoren mitbestimmt werde.
Der Profi meidet das Risiko. Ab sofort werde ich meinen Mandanten anraten in der Stellenanzeige / Stellenannonce im Blick auf Geschlechtsneutralität sich nur noch auf einen geschlechtsunabhängigen Oberbegriff zu beschränken oder einen weiteren Geschlechtseintrag „divers“ zu verwenden, wie z.B. „Controllingtätigkeit (m/w/divers)“.[Siehe Beschluss BVerfG 10.10.2017 – 1 BvR 2019/16 – Randnummer 65].
AGG-Regelungen zum Thema Stellenanzeige /Stellenannonce (nicht abschließend):
§ 11 AGG Ausschreibung
Ein Arbeitsplatz darf nicht unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 AGG ausgeschrieben werden.
§ 7 Abs. 1 AGG Benachteiligungsverbot
Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 AGG genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.
§ 1 AGG Ziel des Gesetzes
ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.
§ 15 AGG Entschädigung und Schadensersatz
Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund