Gibt es Schadensersatz, wenn der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer vom Detektiv heimlich eine Überwachung durchführen lässt?
Gibt es Schadensersatz, wenn der Arbeitgeber eine Überwachung seines Arbeitnehmer von einem Detektiv heimlich durchführen lässt?
Das LAG Rheinland-Pfalz sprach einem Arbeitnehmer in seiner Entscheidung vom 27.04.2017 einen Schadensersatz in Höhe von 10.000 Euro zu. Aber Achtung – es bedarf stets der Einzelfallbetrachtung! [LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.04.2017 – 5 Sa 449/16]
Im streitgegenständlichen Verfahren stritten die Parteien über die Verpflichtung des Arbeitgebers dem Arbeitnehmer wegen einer heimlichen Überwachung durch einen Detektiv einen Schadensersatz gem. § 823 I BGB zu zahlen.
Besonderheit: die Überwachung durch den Detektiv dauerte 20 Tage und kostete 39.197,85 Euro. Besonderheit: der Arbeitnehmer war auch Betriebsratsvorsitzender und Gewerkschaftsmitglied, das Thema Freistellung des Betriebsrats spielte ebenfalle eine Rolle. Wie immer findet sich ein „Vögelchen“, das dem Arbeitnehmer zuspielte, dass der Arbeitgeber einen Detektiven beauftragt habe, den Arbeitnehmer zu überwachen. Angeblicher Ermittlungsauftrag: „Verdacht des Arbeitszeitbetruges aus einer Zweittätigkeit“.
Dies veranlasst den Arbeitnehmer den Arbeitgeber beim Arbeitsgericht Kaiserslautern zu verklagen und die Zahlung von Schadensersatz wegen schwerer Verletzung seines Persönlichkeitsrechts zu fordern.
Unstreitig (jedenfalls nicht widerlegt) erfolgte die Beobachtung durch den Detektiv ausschließlich zu den Arbeitszeiten Arbeitnehmers. Der private Lebensbereich des Arbeitnehmers wurde durch die Überwachung unstreitig nicht tangiert. Es wurden weder Telefonate abgehört, noch wurden E-Mails abgefangen, auch sonstige Arten der Korrespondenz wurden nicht überprüft. Im Zuge der Observation wurden weder Foto- und/oder Filmaufnahmen des Arbeitnehmers getätigt, noch wurde ein Bewegungsprofil des Arbeitnehmers erstellt.
Das Arbeitsgericht sah eben aus oben aufgeführten Gründen die Klage abgewiesen, eine schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers sei bei der Überwachung durch den Detektiv nicht erkennbar.
Dieser Argumentation kann der Arbeitnehmer nicht folgen, er sei durch die Überwachung schwerwiegend in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt worden, weil:
* er im Auftrag der Beklagten anlasslos durch einen Detektiv überwacht worden sei
* es habe keinerlei objektive Anknüpfungstatsachen vorgelegen, aus denen sich ein solcher Verdacht ableiten ließe.
* die Beauftragung der Überwachung sei „ins Blaue hinein“ erfolgt, um einen Anlass zu finden, das Arbeitsverhältnis mit einem unliebsamen Mitarbeiter zu beenden wg. seiner Tätigkeiten für Betriebsrat und Gewerkschaft
* der Arbeitgeber habe zu keinem Zeitpunkt ihm gegenüber einen entprechenden substantiierten Vorwurf erhoben
* eine Überwachung durch einen Detektiv dürfe grundsätzlich nur bei konkretem Verdacht des Vorliegens strafbarer Handlungen (bspw. Diebstahl, Unterschlagung, Betrug oder Untreue) angeordnet werden.
* die Überwachung habe einen diskriminierenden Charakter gehabt.
Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz kam zu dem Ergebnis, das der Arbeitgeber Schadensersatz in Höhe von 10.000 Euro an den Arbeitnehmer wegen heimlicher Überwachung durch einen Detektiv zu zahlen hat.
Der Arbeitgeber habe durch die von ihr in Auftrag gegebenen Beobachtungen durch einen Detektiv das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers schwerwiegend verletzt. Nach den gesamten Umständen des Einzelfalls stehe dem Kläger ein Anspruch auf eine Geldentschädigung in Höhe von 10.000,00 EUR zu.
Das Landesarbeitsgericht führt hierzu zunächst die allgemeinen Grundsätze aus, wann das Persönlichkeitsrecht eines Arbeitnehmers verletzt wird:
„ Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die Berufungskammer folgt, ist das durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht auch im Arbeitsverhältnis zu beachten. Ein auf § 823 Abs. 1 BGB gestützter Anspruch auf Geldentschädigung wegen einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung – nur eine solche kommt dafür in Betracht – setzt voraus, dass die Beeinträchtigung nicht auf andere Weise befriedigend ausgeglichen werden kann. Die Zubilligung einer Geldentschädigung im Fall einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung beruht auf dem Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktion blieben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde. Bei dieser Entschädigung steht – anders als beim Schmerzensgeld – regelmäßig der Gesichtspunkt der Genugtuung des Opfers im Vordergrund. Außerdem soll sie der Prävention dienen (vgl. BAG 19.02.2015 – 8 AZR 1007/13 – Rn. 14 mwN). Ob eine so schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, dass die Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich ist, ist aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Hierbei sind in gebotener Gesamtwürdigung insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad des Verschuldens zu berücksichtigen (vgl. BAG 19.02.2015 – 8 AZR 1007/13 – Rn. 16 mwN; BAG 19.08.2010 – 8 AZR 530/09 – Rn. 69 mwN).“
Hieraus leitet das Landesarbeitsgericht ab: „Das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Arbeitnehmers könne auch dann schwerwiegend verletzt sein, wenn der Arbeitgeber behauptet, er habe den Arbeitnehmer ausschließlich während seiner Arbeitszeit von einer Detektei beobachten lassen, die im Rahmen der Observationen keine Fotografien oder Videoaufzeichnungen angefertigt habe. Diese lange Dauer der Überwachung ist für die Intensität des Eingriffs von großer Bedeutung. Die heimliche Observation durch Strafverfolgungsbehörden (vgl. § 163f StPO). Eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung liegt – unabhängig davon, ob der Kläger fotografiert oder gefilmt worden sein sollte – bereits in der von der Beklagten veranlassten heimlichen Observation des Klägers für die Dauer von 20 Arbeitstagen in der Zeit vom 22.09. bis 07.11.2014. Bei einem Rechnungsbetrag (netto) von ca. 1.960,00 EUR pro Arbeitstag (Rechnungssumme ca. 39.200,00 EUR : 20 Tage) bei einem vereinbarten Stundensatz von 69,00 EUR muss der Kläger täglich über viele Stunden von mehreren Detektiven heimlich überwacht worden sein. Diese lange Dauer der Überwachung ist für die Intensität des Eingriffs von großer Bedeutung. Die heimliche Observation durch Strafverfolgungsbehörden (vgl. § 163f StPO) über einen längeren Zeitraum steht – auch bei zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten für eine Straftat von erheblicher Bedeutung – unter Richtervorbehalt. Zwar können die den Staat in seinen Überwachungsmöglichkeiten begrenzenden Bestimmungen nicht ohne weiteres auf das Verhältnis zwischen Privaten übertragen werden. Gleichwohl wird in ihnen zum einen deutlich, welche Bedeutung gerade auch die Dauer der Überwachung für die Intensität des Eingriffs hat. Zum andern können dem Arbeitgeber zumindest nicht viel weiter gehende Eingriffe in die Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer zugestanden werden, als sie bei Inanspruchnahme staatlicher Organe zulässig wären (vgl. zu diesem Aspekt BAG 29.06.2004 – 1 ABR 21/03 – Rn. 45 mwN).“
10.000 Euro Schmerzensgeld wegen der heimlichen Überwachung
Das Landesrbeitgericht kommt zu dem Ergebnis , dass unter Würdigung aller Umstände des vorliegenden Falles eine Geldentschädigung in Höhe von 10.000,00 EUR angemessen sei. „Insbesondere die lange Dauer der Observation, die sich die Beklagte ausweislich der vorliegenden Rechnungen rund 39.200,00 EUR hat kosten lassen, gebieten die Festsetzung eines fühlbaren Entschädigungsbetrags. Von der Höhe der Geldentschädigung muss ein echter Hemmungseffekt ausgehen.“, so das Berufugnsericht:
Rechtsgrundlagen dieser Entscheidung (Auszüge):
Art.8 EMRK – Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens
(1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
Art 1 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
Art 2 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
§ 823 BGB Schadensersatzpflicht Bürgerliches Gesetzbuch
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet
§ 201 StGB Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer unbefugt
das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufnimmt oder
eine so hergestellte Aufnahme gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht.
(2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt das nicht zu seiner Kenntnis bestimmte nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen mit einem Abhörgerät abhört oder das nach Absatz 1 Nr. 1 aufgenommene oder nach Absatz 2 Nr. 1 abgehörte nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen im Wortlaut oder seinem wesentlichen Inhalt nach öffentlich mitteilt. Die Tat nach Satz 1 Nr. 2 ist nur strafbar, wenn die öffentliche Mitteilung geeignet ist, berechtigte Interessen eines anderen zu beeinträchtigen. Sie ist nicht rechtswidrig, wenn die öffentliche Mitteilung zur Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen gemacht wird.
§ 201a StGB Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, unbefugt eine Bildaufnahme herstellt oder überträgt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt,
eine Bildaufnahme, die die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellt, unbefugt herstellt oder überträgt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt,
eine durch eine Tat nach den Nummern 1 oder 2 hergestellte Bildaufnahme gebraucht oder einer dritten Person zugänglich macht oder
eine befugt hergestellte Bildaufnahme der in den Nummern 1 oder 2 bezeichneten Art wissentlich unbefugt einer dritten Person zugänglich macht und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt.
(2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt von einer anderen Person eine Bildaufnahme, die geeignet ist, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden, einer dritten Person zugänglich macht.
(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Bildaufnahme, die die Nacktheit einer anderen Person unter achtzehn Jahren zum Gegenstand hat, herstellt oder anbietet, um sie einer dritten Person gegen Entgelt zu verschaffen, oder sich oder einer dritten Person gegen Entgelt verschafft.
(4) Absatz 1 Nummer 2, auch in Verbindung mit Absatz 1 Nummer 3 oder Nummer 4, Absatz 2 und 3 gelten nicht für Handlungen, die in Wahrnehmung überwiegender berechtigter Interessen erfolgen, namentlich der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dienen….
§ 202 StGB Verletzung des Briefgeheimnisses
(1) Wer unbefugt einen verschlossenen Brief oder ein anderes verschlossenes Schriftstück, die nicht zu seiner Kenntnis bestimmt sind, öffnet oder sich vom Inhalt eines solchen Schriftstücks ohne Öffnung des Verschlusses unter Anwendung technischer Mittel Kenntnis verschafft, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 206 mit Strafe bedroht ist.
(2) Ebenso wird bestraft, wer sich unbefugt vom Inhalt eines Schriftstücks, das nicht zu seiner Kenntnis bestimmt und durch ein verschlossenes Behältnis gegen Kenntnisnahme besonders gesichert ist, Kenntnis verschafft, nachdem er dazu das Behältnis geöffnet hat.
(3) Einem Schriftstück im Sinne der Absätze 1 und 2 steht eine Abbildung gleich.
§ 163f StPO Längerfristige Observation
(1) Liegen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen worden ist, so darf eine planmäßig angelegte Beobachtung des Beschuldigten angeordnet werden, die durchgehend länger als 24 Stunden dauern oder an mehr als zwei Tagen stattfinden
soll (längerfristige Observation).
2Die Maßnahme darf nur angeordnet werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters auf andere Weise erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert wäre. 3Gegen andere Personen ist die Maßnahme zulässig, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie mit dem Täter in Verbindung stehen oder eine solche Verbindung hergestellt wird, dass die Maßnahme zur Erforschung des Sachverhalts oder zur Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters führen wird und dies auf andere Weise erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert wäre.
(2) Die Maßnahme darf auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden.
(3) 1Die Maßnahme darf nur durch das Gericht, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) angeordnet werden. 2Die Anordnung der Staatsanwaltschaft oder ihrer Ermittlungspersonen tritt außer Kraft, wenn sie nicht binnen drei Werktagen von dem Gericht bestätigt wird. 3§ 100e Absatz 1 Satz 4 und 5, Absatz 3 Satz 1 gilt entsprechend.
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